Rammis
Rüde
Rubrik

2/1997

Während die werten (und die unwerten vermutlich auch) Leserinnen und Leser in Frühlingsgefühlen schwelgen dürfen, tippt Euer unermüdlicher Kolumnist mal wieder tapfer die Revolution herbei. Doch bis dahin: Willkommen in Rammis rüder Republik.

Zunächst einmal stellen wir uns vor, daß irgendwo dort draußen an einem mythologischen Ort namens "Dritte Welt" (die zweite liegt ja bekanntlich im Kofferraum) Menschen (bevorzugt weiblichen Geschlechts) sich ihren eher kargen Lebensunterhalt damit verdienen, daß sie dicht an dicht nebeneinandersitzend kleine blaue Plastiknilpferde anmalen. Diese echt handbemalten Kunstwerke kommen dann in eine gelbe Plastikhülle, die wiederum in ein Schokoladenei gesteckt wird. Dieses schließlich wird in bunte Alufolie verpackt, um mit vielen anderen als sogenannte Impulsware neben die Scannerkassen unserer Supermärkte plaziert zu werden. Dort warten sie geduldig darauf, daß so eine bestimmte Sorte älterer Männer auftaucht, jedes Ei einmal kurz neben dem Ohr schüttelt und mit einer Auswahl davon zur Selbstwiege-Waage wackelt. Wenn die Möchtegernnilpferde Glück haben, sind sie an einen geraten, der seine Sache versteht. Aus ihren diversen Hüllen befreit -- die Schokolade bekommt entweder der dicke Dackel oder sie wandert gleich in den Müll -- treffen sich die Nilpferde schließlich auf einem Küchentisch wieder: endlich angekommen im Plastik-Wunderland. Allerdings hat noch keine Überraschungseierplastiknilpferddesignerin ein Nilpferd gestaltet, das ein Schild mit der Aufschrift "ASYL" hochhält, weshalb die meisten Tierchen dann doch am nächsten Wochenende schnöde auf dem Flohmarkt verschachert werden.

Während besagte Männer sich vermutlich wenig Gedanken über die Herkunft ihrer Lust- und Handelsobjekte machen, stelle ich mir immer vor, daß auf der anderen Seite der Kette beim routinierten Pinseln doch Gedanken über die ferne Welt, in die die Nilpferde reisen, aufkommen. Und eine Fabrik weiter werden vielleicht Dildos in rosa Pappkartons verpackt...

Womit wir wieder bei den Frühlingsgefühlen und damit dem eigentlichen Thema dieser Rubrik sind: geschlechtsspezifisches Verhalten und Ökologie. Während auf vielen Gebieten die Männer immer noch führend die Umwelt zerstören (Plastiknilpferde, Individualverkehr, Bierdosen), holt die Damenwelt doch tapfer auf oder sogar über (Rauchen, Dildos, Flugreisen). Wo allerdings hier schon zwei Ideale miteinander wetteifern (Gleichberechtigung vs. Umweltschutz), wird es auf einem Gebiet wie Telefonsex noch schwieriger. Davon ausgehend, daß Telefonsex umweltfreundlicher ist als die Standardversion (kein großes Vorgeplänkel, keine Wasch- und Schminkorgien, keine Verhütung und trotzdem keine umweltverseuchenden Kinder), ist die Notwendigkeit desselben selbst für fortschrittliche denkende Menschen durchaus fragwürdig. Euer zartbesaiteter Autor jedenfalls reagierte eher abweisend auf von einer ihm unbekannten Dame telefonisch vorgebrachte Angebote, die in einer familienfreundlichen Zeitung wie dieser nicht näher ausgeführt werden sollten. Ökologisch vielleicht wünschenswert, emanzipatorisch möglicherweise zu begrüßen, doch irgendwie, mit den Augen einer Nilpferdbemalerin betrachtet, ist die hiesige Version von Utopia doch -- gelinde gesagt -- seltsam.

Bemerkenswert hingegen ist der wichtigste geschlechtsökologische Unterschied, der mir bei meinen umfangreichen Studien zu dieser Rubrik unterkam, nämlich die Tatsache, daß Männer keine Fahrradkörbe benutzen. Sonst bauen sie ja wirklich alles an ihre Gefährte, aber niemals einen Fahrradkorb. Klar, es gibt auch korblose Frauenfahrräder (und noch mehr ohne Licht), aber 99,8% aller Fahrräder mit Korb sind in weiblichem Besitz.

Zum Abschluß möchte ich -- nachdem ich vor zwei Monaten an dieser Stelle eine Lanze für den Grünen Punkt verbrochen habe -- meine LeserInnen gerne fragen, was eigentlich aus diesem anderen nutzlosen Symbol geworden ist, dem Lauen Umweltbengel. Ihr erinnert Euch doch hoffentlich an so eine blaßblaue Figur mit ausgebreiteten Armen, die von irgendeiner Jury nach obskuren Gesichtspunkten vergeben wurde und auf Bierflaschen, Farbdosen und Insektenspray prangte. Derlei Dinge kaufe ich zu selten ein, deshalb muß ich einfach mal fragen: Gibt's den noch? Kennt ihr den überhaupt? Wer klärt mich auf?