Rammis
Rüde
Rubrik

1/1997

Schwester und Brüder unserer Mutter Erde!

Verzeiht mir meine direkten Worte, aber es muß gesagt werden:

Unser Leben ist nicht leicht. Bis unser Joschka endlich Bundeskanzler wird, werden wir uns noch lange mit einer feindselig eingestellten Umwelt herumärgern müssen. Für unser täglich Vollkornbrot schuften wir in Wirtschaftsbetrieben, für die Öko lediglich auf Nomie endet, und die über Umweltschutz fluchen, weil sie den Müll nun für teures Geld nach Polen schaffen müssen. Schon auf harmlose Feststellungen wie z. B. "Nach der Revolution werdet ihr Autofahrer doch als erste an die Wand gestellt", reagieren Kolleginnen und Kollegen mit Unverständnis, ja sogar Ablehnung. Vom Neid geblendet bleibt ihnen nur die Flucht in derbe Scherze, so beim Anblick unserer gesunden Zwischenmahlzeit: "Möhren sollen ja gut für die Potenz sein, aber leider kann mann sie so schwer anzubringen".

Wir wissen es besser. Während sie sich nervös eine Zigarette nach der anderen anstecken, nuckeln wir genüßlich an unseren Müsliriegeln. Nein, wir werden unser Geld niemals essen, und wenn es mit Pflanzenfarben auf Hanfpapier gemalt wäre, denn wir wissen es besser zu gebrauchen. Das gesunde Essen, die handgefertigte Kleidung, stilvolle Naturmöbel, der Urlaub fernab des Massentourismus -- all das ist nicht billig, aber schlicht und einfach notwendig und daher seinen Preis wert.

Wir gehören schließlich nach wie vor zu einer Avantgarde, auch wenn wir uns durchaus schon einen Platz in dieser Gesellschaft erkämpft haben. Hart und unermüdlich, wie ich hier betonen möchte. Und haben wir nicht Erfolge an allen Fronten aufzuweisen? Bioecken in Supermärkten -- das waren wir. Stofftaschen an allen Kassen -- das waren wir. Der Shell-Boykott -- wir. FCKW-Verbot -- auch wir. Die grüne Tonne -- wir, wer sonst. Taubenscheiße überall -- natürlich auch wir. Diese wunderbare Zeitung, in der ich meine Stimme erheben darf -- nur wir.

Und diese Liste ist noch schier endlos fortsetzbar, Zeile um Zeile, Seite für Seite, doch schon jetzt dürfte klar sein, daß wir dieser Republik unseren unverwechselbaren Stempel aufgedrückt haben: ohne uns wäre sie nicht das, was sie jetzt ist.

Aber noch dürfen wir nicht erschlaffen und mit verdienter Selbstzufriedenheit auf das Erreichte schauen, denn der Kampf gegen die Umweltsünde ist noch nicht gewonnen. Schließlich gibt es noch immer kein Zweiliterauto zu kaufen, das schreit doch förmlich nach Boykotten (natürlich nicht unbedingt vor Ort, wegen der prekären Arbeitsplatzsituation). Atommüll, den wir teilweise so trefflich in Frankreich und England weggelagert haben, droht hierherzukommen; da hilft nur ziviler Ungehorsam, und zwar massenhaft und niedersachsenweit. Und noch immer gibt es skrupellose Mitbürger, die ihren Müll nicht sortieren: ab in die Tonne mit ihnen (natürlich in die grüne).

Habt Mut! Wir werden siegen. Wir waren schließlich schon Wegweiser in schweren Zeiten, als die Institutionen Kirche und Politik versagt haben.

Jesus ist tot. Marx ist tot.
Es lebe der grüne Punkt!