Wie fängt man einen Löwen in der Wüste ?
MATHEMATISCHE METHODEN:
1. Die Hilbertsche oder axiomatische Methode.
Man stellt einen Käfig in die Wüste und
führt
folgendes Axiomensystem ein:
Axiom 1: Die Menge der Löwen in der Wüste ist nicht
leer.
Axiom 2: Sind Löwen in der Wüste, so ist auch ein Löwe
im Käfig.
Schlußregel: Ist p ein richtiger Satz, und gilt "wenn p,
so q", so ist auch q ein richtiger Satz.
Satz: Es ist ein Löwe im Käfig.
2. Die geometrische Methode.
Man stelle einen zylindrischen Käfig in die Wüste.
1 Fall: Der Löwe ist im Käfig. Dieser Fall ist trivial.
2 Fall: Der Löwe ist außerhalb des Käfigs. Dann
stelle man sich in den Käfig und mache eine Inversion an
den Käfigwänden. Auf diese Weise gelangt der Löwe in
den Käfig und man selbst nach draussen.
Achtung: Bei Anwendung dieser Methode ist dringend darauf
zu achten, daß man sich nicht auf den Mittelpunkt des
Käfigbodens stellt, da man sonst im Unendlichen
verschwindet.
3. Die Projektionsmethode
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an,
daß die Wüste eine Ebene ist. Wir projizieren
sie auf eine Gerade durch den Käfig, und die Gerade
auf einen Punkt im Käfig. Damit gelangt der Löwe
in den Käfig.
4. Die Bolzano-Weierstrass-Methode.
Wir halbieren die Wüste
in Nord-Süd Richtung durch einen Zaun. Dann ist der
Löwe entweder in der westlichen oder östlichen Hälfte
der Wüste. Wir wollen annehmen, daß er in der
westlichen Hälfte ist. Daraufhin halbieren wir diesen
westlichen Teil durch einen Zaun in Ost-West Richtung.
Der Löwe ist entweder im nörlichen oder im südlichen
Teil. Wir nehmen an, er ist im nördlichen. Auf diese
Weise fahren wir fort. Der Durchmesser der Teile, die
Bei dieser Halbiererei entstehen, strebt gegen Null. Auf
diese Weise wird der Löwe schliesslich von einem Zaun
beliebig kleiner Länge eingegrenzt.
5. Die mengentheoretische Methode
Die Punkte der Wüste lassen sich wohlordnen. Ausgehend
vom kleinsten Element erwischt man den Löwen durch
transfinite Induktion.
Bemerkung: Diese Methode ist in Fachkreisen umstritten wegen
der Verwendung des Wohlordnungssatzes bzw. des
Auswahlaxioms. Wie so oft, hat auch die vorliegende Fragestellung
zu einer fruchtbaren Entwicklung geführt. Dabei wurde
schließlich eine sehr viel einfachere Methode entdeckt,
die den genannten Mangel nicht aufweist: Man betrachte alle
Teilmengen der Wüste, die den Löwen enthalten und bilde
ihren Durchschnitt. Er enthält als einziges Element
den Löwen.
Achtung: Bei dieser Methode achte man darauf, dass das
schöne Fell des Löwen nicht zerschnitten wird.
6. Die funktionalanalytische Methode.
Die Wüste ist ein
separabler Raum. Er enthält daher eine abzählbar
dichte Menge, aus der eine Folge ausgewählt werden kann,
die gegen den Löwen konvergiert. Mit einem Käfig auf
dem Rücken, springen wir von Punkt zu Punkt dieser Folge
und nähern uns so dem Löwen beliebig genau.
7. Die Peano-Methode
Man konstruiere eine Peano-Kurve durch die Wüste, also eine
stetige Kurve, die durch jeden Punkt der Wüste geht. Es
ist gezeigt worden, daß man eine solche Kurve in beliebig
kurzer Zeit durchlaufen kann.
8. Die topologische Methode.
Der Löwe kann topologisch als
Torus aufgefasst werden. Man transportiere die
Wüste in den vierdimensionalen Raum. Es ist nun
möglich die Wüste so zu deformieren, dass beim
Rücktransport in den dreidimensionalen Raum der Löwe
verknotet ist. Dann ist er hilflos.
9. Die Cauchysche oder funktionentheoretische Methode
Wir betrachten eine reguläre löwenwertige Funktion
f auf der W¨ste. Der Käfig stehe im Punkt z der
Wüste. Man bilde dann das Integral
1 / f(xi)
---- | ------ d(xi)
2ipi / xi-z
C
wobei C der Rand der Wüste ist. Der Wert des Integrals ist
f(z), d.h. es ist ein Löwe im Käfig.
10. Die Banachsche oder iterative Methode.
Es sei f eine
Kontraktion der Wueste in sich mit Fixpunkt x0. Auf
diesen Fixpunkt stellen wir den Kaefig. Durch sukzessive
Iteration
W(n+1) = f (W(n)), n=0,1,2,... ( W(0)=Wueste )
wird die Wueste auf den Fixpunkt zusammengezogen. So
gelangt der Loewe in den Kaefig.
11. Die Kompaktheitsmethode.
Die Wüste wird ohne Beschränkung der Allgemeinheit
als kompakt vorausgesetzt. Man überdecke sie mit einer Familie
von Käfigen K_i (i element I). Dann gibt es unter ihnen
endlich viele Käfige K_i1,...,K_in, die bereits die ganze
Wüste überdecken. Die Durchmusterung dieser Käfige
auf darin befindliche Löwen wird als
Diplomarbeit vergeben.
12. Die logische Methode oder Methode des "Tertium non datur".
Man stelle einen offenen Käfig in die Wüste und lege
ein Brett mit Leim daneben. Beides biete man dem Löwen zum
Betreten an. Der Löwe sagt dann:"Nein, auf den Leim gehe
ich nicht!" Nach dem "Tertium non datur" muß er in den
Käfig gehen. Danach schlägt man die Tür zu.
13. Die stochastische Methode.
Man benötigt dazu ein Laplace-Rad, einige Würfel und eine
Gaussche Glocke. Mit dem Laplace-Rad fährt man in die Wüste
und wirft mit den Würfeln nach dem Löwen. Kommt er dann
wutschnaubend angerannt, so stülpt man die Gaussche Glocke
über ihn. Unter ihr ist er mit Wahrscheinlichkeit eins
gefangen.
14. Die didaktische Methode.
Man nähere sich dem Löwen auf der Brunerschen Spirale. Dann
elementarisiere man den Löwen zu einer Katze und fange ihn
mit einer Schale Milch.
PHYSIKALISCHE METHODEN:
15. Die Newtonsche Methode.
Käfig und Löwe ziehen sich
durch die Gravitationskraft an. Wir vernachlässigen die
Reibung. Auf diese Weise muß der Löwe früher oder
später am Käfig landen.
16. Die Heisenberg-Methode.
Ort und Geschwindigkeit eines
bewegten Löwen lassen sich nicht gleichzeitig bestimmen.
Da bewegte Löwen also keinen physikalisch sinnvollen Ort
in der Wüste einnehmen, kommen sie für die Jagd nicht
in Frage. Die Löwenjagd kann sich daher nur auf ruhende
Löwen beschränken. Das Einfangen eines ruhenden,
bewegungslosen Löwen wird dem Leser als Übungsaufgabe
überlassen.
17. Die Schrödinger-Methode.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich ein Löwe
zu einem beliebigen Zeitpunkt im Käfig befindet, ist
größer als Null. Man setze sich vor den Käfig
und warte.
Bemerkung: Hierbei wird üblicherweise vorausgesetzt, daß
der Käfig offen ist und man ihn zuschlagen muß wenn
der Löwe drin ist. H.Schubert wies aber darauf hin, daß
man den Käfig wegen des Tunneleffektes auch zulassen kann.
Auf diese Weise kann man bei der elenden Warterei auch mal weggehen
und ein Bierchen trinken. Aber nicht zu lange! Denn kluge Löwen,
die den Tunneleffekt begriffen haben, verschwinden auch wieder.
18. Die Einsteinsche oder relativistische Methode.
Man überfliege die Wüste mit Lichtgeschwindigkeit. Durch
die relativistische Längenkontraktion wird der Löwe
flach wie Papier. Man greife ihn, rolle ihn auf und
mache ein Gummiband herum.