Das Märchen von Determinantchen


Es war einmal eine süße kleine Determinante von gar lieblicher Geometrie, der es immer wieder Spaß machte, sich an ihrer Hauptdiagonalen zu spiegeln und sich an ihrer stetigen Schönheit zu erfreuen. Die Symmetrie ihrer Figur und ihr ideales Bogenmaß waren absolute Extremwerte, die ihr ständig Bewunderung unendlicher Reihen von Polen einbrachte.
Auch ein stolzer cosh, eine Erscheinung von stattlicher Potenz, gehörte zu ihren Verehrern. Er hatte sie auf einem Faschingsball, zu dem Determinantchen als totales Differential erschienen war, mit seinen Arcusaugen erspäht und verspürte sofort die Neigung, sie bis + unendlich zu integrieren.
Da cosh diese Gleichung mit zwei Unbekannten möglichst schnell nach der Additionsmethode lösen wollte, um Determinantchens geometrische Beziehungen erforschen zu können, machte er wie zufällig ihre Bekanntschaft. Während sie einen dieser neuen Modetänze, eine Mischung aus Algo- und Loga-r(h)ythmus, tanzten, beschrieb ihre Figur einen erstklassigen Rotationskörper und cosh schätzte dabei im Kopf Determinantchens Massenintegral auf 60kg. Schon wenig später konvergierten beide zur Theke, wo sie sich im Summieren übten. Da cosh den Faktor, daß er das größere Potential haben würde, schon einkalkuliert hatte, ergab es sich zwangsläufig, daß er Determinantchen nach Erreichen ihrer oberen Grenze an ihre Ausgangskoordinaten zurücktransformieren mußte.
Als der Zähler 2 Uhr erreicht hatte, tranken sie noch eine Schlöhmilch und brachen die Reihen dann ab.
In einem gut geheizten Vektorzug fuhren sie von dannen. Als sie über den Laplace der Einheit rollten, tangierte cosh Determinantchen von rechts an der ersten Zeile und war irrational verliebt. Nun wollte er sie auf einen Nenner bringen. Aber während der Zug von einer Lücke zum unendlichen Sprung klapperte, versuchten ein Radius und ein Spaltenvektor mit Determinantchen zu korrespondieren. Der Erfolg dieser Bemühungen blieb jedoch aus, da Determinantchens Realteil bereits schlief. So kamen sie unbeschädigt an die Peripherie der Stadt, wo Determinantchens Nullstelle lag.
Sie wohnte ganz oben im Norden, und weil ein kalter Wind wehte, mußten sie Polarkoordinaten einführen, um den Weg zu finden. Endlich standen sie vor einer kleinen, mit einem Limes umgebenen, differentiell-kleinen Hütte -- eine Lemnis-Kate. Nur eine Matrize war darin zu erblicken. Da es im Raum sehr sauber war, schien es sich um keine gewönliche Matrize, sondern um eine Kehrmatrix zu handeln.
cosh träumte schon davon, wie er zwischen den Maxima von Determinantchens gedämpften Sinuswellen ruhen würde, als ihre letzte Dezimale Einspruch erhob. Sie wollte sich auf keine Multiplikation einlassen...
Das war der Wendepunkt, denn es kam zu einem echten Bruch. cosh subtrahierte und bekam Komplexe - unstetig lief er nach Hause. Vielleicht, so sagte er sich, liegt die Wurzel für die auftretende Divergenz darin, daß er bei seinen Integrationsplänen die Konstante falsch bestimmt hatte; oder aber, es handelte sich von vornherein um eine ungerade Funktion. cosh konnte kein entscheidendes Wurzelkriterium finden. Er beschloß, Determinantchen in seinem Gedächtnis zu Null zu machen.

Verfasser unbekannt

Uwe Richter, 21.11.96